Montag, 21. November 2011

Die große Preisfrage - oder "Deine Sachen sind aber teuer!"

Nachdem ich mich neulich mal wieder mit jemandem über die Preisgestaltung in meinem Shop unterhalten habe ist mir aufgefallen, dass ich dazu schon länger mal etwas posten wollte.
Das ganze soll ganz betont keine Rechtfertigung sein - ich bin nicht der Meinung, mich für meine Preise rechtfertigen zu müssen. Darüber hinaus denke ich, dass ich mit diesem Text niemanden davon überzeugen werde, dass die Preise angemessen sind. Er soll lediglich zur Erklärung dienen.

Die Preisgespräche beginnen immer ähnlich - entweder mit der Frage, was das Material kostet oder direkt mit der Feststellung, dass es ja so viel gar nicht kosten kann.
Ja, der Materialpreis ist ein Teil des Gesamtpreises - und nein, es ist definitiv nicht der größte.

Wie fange ich damit an, ein Schmuckstück herzustellen? Was passiert, bis es beim Käufer landet?
Das Material muss irgendwie beschafft werden. Dafür kann ich in den meisten Fällen nicht in den Bastelladen nebenan spazieren, sondern muss die Sachen in verschiedenen Onlineshops bestellen, meistens im Ausland. Das hat sehr viel Recherche und stumpfes Ausprobieren gebraucht - was bekomme ich wo, wie ist die Qualität der Artikel, wie gut oder schlecht lassen sie sich verarbeiten, wie haltbar sind sie...?
Inzwischen habe ich einige Shops, in denen ich regelmäßig bestelle.
Einige Teile (besonders Zahnräder und Uhrwerke) bekomme ich nicht in regulären Läden, da gehört immer sehr viel Glück zum Einkauf.

Einige Teile muss ich immer auf Lager haben - zum Beispiel Ketten als Meterware, Verbindungsringe, Kettelstife, aber auch Kameen+passende Fassungen, Perlen... die Liste geht noch eine ganze Weile so weiter. Darüber führe ich Listen, im Kopf und auf Papier. Was auszugehen droht, wird neu bestellt.
Die Bestellung an sich kostet Zeit und will bezahlt werden. Wenn ich Glück habe, werden die Sachen anstandslos geliefert. Wenn ich Pech habe, muss ich Einfuhrsteuer bezahlen - und wenn ich ganz viel Pech habe, muss ich die Sachen beim Zoll abholen. Dafür fahre ich über 50km (einfache Strecke), muss meistens noch eine ganz Weile warten und darf die Einfuhrsteuer direkt dort bezahlen.

Wenn das Material vorhanden ist geht es los - meistens habe ich vorher einen mehr oder weniger genauen Plan, was ich wie kombiniere, vieles wird aber erst ausprobiert, aneinander gehalten, skizziert...
Viele Teile werden geklebt, was ein größerer Aufwand ist. Es muss gut gelüftet werden (der Kleber ist nicht die gesündeste Substanz der Welt) und die Teile werden Schritt für Schritt geklebt. Wacklige Konstruktionen werden mit Spangen an Ort und Stelle gehalten, bis sie komplett getrocknet sind. Das dauert übrigens 24 Stunden - danach kann ich bei größeren Schmuckstücken das nächste Element aufkleben, bei einfacheren Broschennadeln oder Ketten befestigen... selbst eine einfache Brosche, die nur aus einer Kamee+Fassung besteht, braucht also mehrere Arbeitsschritte, die einen ganzen Tag auseinanderliegen sollten.
Fimoteile sind noch arbeitsintensiver - diese Schmuckstücke werden modelliert, im Ofen ausgehärtet und in mehreren Schichten lackiert, bevor sie weiterverarbeitet werden können.

Wenn die Teile fertig sind werden sie noch mal kontrolliert: halten alle Klebestellen ordentlich? Was sich mit ein bisschen Kraftaufwand abhebeln lässt, ist nicht gut geklebt, das wird noch mal neu gemacht.
Sind alle Verbindungsringe geschlossen? Sind die Teile symmetrisch oder ist vielleicht irgendwas verrutscht? Ist irgendwo Kleber verschmiert?

Danach wird alles einzeln und aus mehreren Perspektiven fotografiert. Die Bilder lade ich auf den PC, suche die besten/schärfsten raus und verkleinere sie, wenn nötig dreh ich noch an Helligkeit/Kontrast, um die Schmuckstücke möglichst originalgetreu und gut erkennbar zu präsentieren.
Danach stelle ich die Artikel in einen meiner Onlineshops - dafür schreibe ich eine Artikelbeschreibung, im Normalfall sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch. Neben einem möglichst ansprechendem Text sollten natürlich alle nötigen Infos wie Material und relevante Maße vorkommen.

Wenn der Artikel eingestellt ist bin ich erst mal "fertig", was jetzt kommt ist eher freiwillig: neue Artikel im Blog vorstellen und auf Facebook verlinken. Das verbuche ich mal als Privatvergnügen, eigentlich könnte ich es auch sein lassen - aber Werbung in irgendeiner Form ist schon notwendig.

Danach kann es passieren, dass ich Fragen zu den Artikeln bekomme - gibt es das auch in anderen Farben, mit anderen Befestigungsmöglichkeiten...? Diese Fragen wollen beantwortet werden.
Wenn ein Artikel gekauft wird bestätige ich den Verkauf mit einem kleinen Dankeschön und warte den Zahlungseingang ab. Wenn das Geld da ist, wird das Schmuckstück bruchsicher in Luftpolsterfolie gewickelt, zusammen mit einer Visitenkarte und einer Kleinigkeit in einen Versandkarton (der übrigens auch bezahlt werden muss) gepackt. Das ganze wird beschriftet und zur Post gebracht (insgesamt 20min Fußweg + Wartezeit, mit dem Auto dank Parkplatzsuche in der Stadt nicht wesentlich kürzer), wo es dann als Einwurfeinschreiben auf den Weg zum Kunden geschickt wird.

Ich versuche jetzt nicht, diesen ganzen Prozess in Arbeitsstunden umzurechnen. Das wäre auch ein bisschen unrealistisch, weil vieles davon gebündelt passiert - wenn ich einmal mit Kleben anfange, klebe ich mehrere Teile, Fotos werden auch immer in Grüppchen gemacht, Post nach Möglichkeit zusammen weggebracht, für Artikelbeschreibungen benutze ich wenn es möglich ist Vorlagen, die ich nur abwandeln muss...
Trotzdem ist das eine ganz gute Übersicht darüber, welche Wege ein Schmuckstück geht und man bekommt eine ungefähre Vorstellung von der Zeit, die das ganze kostet.

Dazu kommen noch andere Dinge, die einkalkuliert werden müssen... Rücksendungen, für die zusätzliche Versandkosten aufkommen. Buchführung, Wege zum Finanzamt, das Risiko, dass doch mal auf dem Versandweg etwas verloren geht (und ersetzt werden möchte), Nacht-und-Nebel-Aktionen, weil jemand ein Teil unbedingt schon vorgestern als Geburtstagsgeschenk braucht, ewig lange Mailkontakte, aus denen doch kein Verkauf entsteht...
Nein, ich will nicht jammern. Mir macht das ganze sehr viel Spaß, sonst würde ich für den Stundenlohn, der letztendlich dabei rumkommt, definitiv nicht arbeiten. Und auch wenn ich es gerne mache: es ist und bleibt Arbeit.

Wenn ich den Text noch mal überfliege, kommen mir meine Stücke fast schon ein bisschen günstig vor
- aber da kommt eben der Faktor "Wie viel würde ich selbst für Schmuck bezahlen?" dazu, der die Preise noch einmal gewaltig drückt.
Natürlich kann ich es verstehen, wenn jemand nicht bereit ist, die von mir verlangten Preise zu bezahlen. Bei diversen bekannten Schmuckläden bezahlt man die Hälfte und weniger und wenn ihr dort etwas schönes findet kann ich euch nur dazu raten, es zu kaufen. Allerdings will und werde ich meine Preise nicht dem dortigen Preisniveau anpassen.

7 Kommentare:

  1. Find ich krass, dass da wirklich Leute mit dir drüber diskutieren.^^ Fand deine Preise von Anfang an voll okay.^^ Okay, ich bastel auch selbst und weiß, wieviel Aufwand das ist. Aber trotzdem... Find dich voll okay. Kein Stück teuer.^^;;

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  2. Ich finde Deine Preise wirklich ok - da gibt es nix zu meckern!
    Wenn ich mir überlege was so der standart Modeschmuck in den 0815-Läden teilweise kostet...

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  3. Ohje das kenn ich nur zu gut, solche Fragen werden mir auch immer wieder gestellt...

    Ich finds gut, dass du deine Arbeit hier auflistest, weil manche Leute können es schon garnicht mehr nachvollziehen wie viel Arbeit dahinter steckt.
    Ich find deine Preise voll in Ordnung, lass dich bloß nicht ärgern ;)

    Liebe Grüße
    Julia

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  4. Dass man überhaupt über so etwas diskutieren muss... ich finde deine Preise vollkommen angebracht! Der ganze Modeschmuck in den Geschäften ist doch für ähnliche Preise zu haben, aber es sind nunmal keine liebevoll in Handarbeit angefertigte Einzelstücke! Und ich finde dafür sind die Preise wirklich mehr als angebracht.

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  5. achja...diese Diskussionen kenne und habe ich auch (-_-) und meine Sachen sind noch ein Stück aufwendiger. Wenn ich da die Preise amerikanischer Perlerinnen sehe...verkaufe ich weit unter der Grenze! (z.b. Laura McCabe)

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  6. Ich finde deine Preise überhaupt nicht teuer öO Da ist doch für jeden Geldbeutel was dabei... Wenn man kein Geld für Handarbeit ausgeben will, soll man halt den Ramsch von Newyorker kaufen... ich habe auch so eine Kommilitonin, die sich selbst bei H&M über zu hohe Preise aufregt, unglaublich affig. Den meisten Leuten ist einfach nicht klar, wieviele Schritte sich hinter dem Wörtchen "Produktion" verbergen, egal ob bei Handarbeit oder Massenwahre.

    LG,
    Lisa

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  7. Seit vielen Jahren bin ich in der Gothicszene vertreten und bin ganz andere Preise gewohnt. Die Qualität ist oftmals miserabel und schlussendlich gibt es von einem Label meist nur wenig Auswahl, wodurch man bei einem Festival oder auch einem Konzert - oder lass es abends der Discobesuch sein - immer wieder auf Leute mit ähnlichen Schmuckstücken stößt.
    In deinem Fall muss ich aber sagen, dass jedes einzelne ein Unikat ist, wodurch du schonmal deutlich aufschlagen könntest ;) Und dann sind die Schmuckstücke auch noch alles Handarbeit. Die wenigsten Sachen in der Szene sind Handarbeit und gerade, weil die Szene doch kleiner als der Ottonormalverbraucher ist, gibt es nicht diese Massenproduktion, wie bei H&M und New Yorker. Ergo höhere Preise. In deinem Fall kannst du nicht einfach die Zahnräder maschinell gießen oder Cameen maschinell prägen und modellieren. Du musst sie von einem Händler einkaufen, das macht es nicht billiger. Also ich finde deine Preise mehr als gerechtfertigt. Und deine Arbeiten unglaublich schön!

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